Wenn wir mit den Öffentlichen fahren, dann soll es möglichst schnell gehen. Das sehen nicht nur wir Fahrgäste so, sondern auch die Stadtverwaltung und so gibt es einen besonderen Trick an der Ampel, den nur die Straßenbahn kann. In diesem Beitrag erkläre ich ihn euch. 😉
Je weniger Stopps, desto schneller
Diese Logik bedeutet in der Realität: Eine Fahrt von Punkt A zu Punkt B geht am schnellsten ohne Zwischenstopps. Je häufiger angehalten wird, desto länger dauert auch die Fahrt.
Nun ist es für ein Verkehrsunternehmen wichtig, Menschen zu befördern. Haltestellen bringen beide zueinander, weshalb diese Zwischenstopps also schon mal wichtig sind.
Anders verhält es sich mit dem Verkehr. Genau genommen mit dem Autoverkehr, oder wie es in der Fachsprache heißt: dem motorisierten Individualverkehr (MIV). Dieser benötigt aufgrund der stetig steigenden Zahl an Fahrzeugen zunehmend mehr und mehr Einrichtungen zur Verkehrsbeeinflussung. So geht es für die Autos zwar nicht schneller, aber dafür eben geordnet voran.
Diese wachsende Anzahl an privaten Autos ist aus Sicht der Öffis ein Manko, denn wo Ampeln stehen, bedeutet das auch meist Wartezeiten für Tram und Bus. Je mehr Ampeln, desto mehr Stopps und damit auch längere Fahrzeit von A nach B.
Natürlich ist dieses Problem schon bekannt, weshalb die Verkehrsplaner aus der Stadtverwaltung Maßnahmen ergreifen, um den ÖPNV wieder schneller zu machen. Diese ÖPNV-Beschleunigung besteht aus vielen Optionen. Die beste ist eine Trennung von Gleisen und Straßen. So kann die Bahn immer am Stau vorbeifahren. Diese Bauform wird auch bevorzugt bei Streckensanierungen und Neubauten verwendet – mit Erfolg. Dort, wo die Bahnen ihr Gleis für sich haben, fließt der Taktverkehr viel zuverlässiger.
In der Stadt ist Platz jedoch nur begrenzt vorhanden und so kreuzen sich Straße und Schiene zwangsläufig. Den Verkehr regeln Ampeln, die wiederum von einem kleinen Computer gesteuert werden. Neuere Ampelsysteme können erkennen, wo sich Fahrzeuge ansammeln und geben dann entsprechend dem Bedarf die Fahrtrichtung frei. Zudem ist auch ein Voranmeldesystem der Straßenbahn angeschlossen.
Und genau hier kommt ein besonderer Trick zum Einsatz: die „Fernbedienung“ für Ampeln. Diese Anmeldung sorgt dafür, dass die Straßenbahnen schneller eine Grünphase bekommen, sobald sie sich an der Ampel anmelden. Das machen die Bahnen übrigens kontaktlos im Vorbeifahren. Klappt das nicht, müssen die Fahrerinnen und Fahrer aussteigen und direkt am Ampelmast mit einem Schlüssel oder Chip per Hand eine Anmeldung auslösen.
Immer „grün“?
Kommen wir zur Titelfrage zurück: Haben die Bahnen nun immer gleich „grün“?
Ja und nein. MVB-Betriebsleiter Michael Fürste erläutert: „In der Theorie wird die Fahrzeit durch die Voranmeldungen kürzer, da die Ampeln schneller auf „Fahrt frei“ für die Bahn schalten. Dennoch gelten für die Programme der Ampeln Vorschriften, die es uns als Verkehrsbetrieb nicht überall erlauben, direkt auf einer „grünen Welle“ zu reiten.“
Das hängt vor allem damit zusammen, das an vielen Kreuzungen oft nicht nur eine Bahn fährt, sondern gleich mehrere Straßenbahnen in verscheidene Richtungen fahren. So würden teils sehr lange Wartezeiten für die anderen Verkehrsarten entstehen. Andererseits bekommt der Verkehr auch meistens mit der Straßenbahn zusammen grün. Auf diese Weise profitieren Fußgehende, Radfahrende und Autos auch von der Tram-Schaltung.
Fürste weiter: „Hier sieht die Vorschrift dann beispielsweise vor, nach einer bestimmen Anzahl an ÖPNV-Durchfahrten dem übrigen Verkehr eine Art Pflichtphase zu gewähren. Konkret gesagt: Nach ungefähr drei Straßenbahn-Anmeldungen ist dann erstmal der MIV dran. In dem Fall müssen die Straßenbahnen dann warten, bis sie wieder an der Reihe sind.“
Dieser Effekt kommt vor allem bei Umleitungen durch Baustellen zum Tragen und sorgt so für leichte Verspätungen.
Fahrzeit ausgewählter Tramlinien
Linie | Fahrzeit in Minuten |
---|---|
1 | 42 |
2 | 53 |
4 | 32 |
5 | 32 |
10 | 40 |
Auch der Bus kann diesen Trick
Zugegeben, auch unsere Busse können sich theoretisch an Ampeln anmelden. Doch anders als bei der Tram ist der Bus meist nicht auf eigener Spur unterwegs und profitiert deshalb nicht von einer solchen Beschleunigung. Zudem gibt es auf diesen Routen auch deutlich weniger Ampeln mit einer entsprechenden Ausrüstung.
Ziel der Stadtplanung ist aber weiterhin ein schneller Personenennahverkehr. Deshalb wird beispielsweise bei der Sanierung der Straßenbahnstrecke auf dem August-Bebel-Damm in Rothensee auf einen eigenen Gleiskörper umgerüstet. So geht es dann beim nächsten Auto-Stau mit der Bahn schnell daran vorbei.
Schon gewusst?
Straßenbahnen sparen Zeit – in dem Fall die Zeit der anderen Verkehrsarten. Fahren in einer Bahn beispielsweise 70 Personen, kommen diese zeitgleich über die Kreuzung. Das dauert rund 15 Sekunden. Würde man diese 70 Personen in PKWs (angenommen wurden 1,2 Personen je Fahrzeug, was dem statistischen Bundesdurchschnitt entspricht) über die selbe Kreuzung fahren lassen, wären dafür ganze zwei Minuten nötig. Ein ziemlich großer Unterschied.
Interessanter Artikel. Wird denn über mehr Digitalisierung nachgedacht bzw. ist schon in der Anschaffung? Wenn man sich Lösungen von Siemens o.a. Herstellern ansieht, würde eine KI-basiertes oder computerunterstütztes Verkehrsleitsystem viel Zeit und Energie sparen. Denn ein aussteigender FahrerIn ist einerseits Zeit und an vielen Punkten auch ein hohes Arbeitsschutzrisiko.
Bei einer Fahrt mit der SL 9 vom W.-Brandt-Platz bis zum Katharinenturm (3 Haltestellen) kommt es zuweilen vor, dass die Bahn auf dieser Route bis zu 7x zum Halten kommt. Dies kostet nicht nur Fahrzeit, sondern auch Energie. Wie wäre es z. Bsp., an den Haltestellen City-Carree / Hbf und Goldschmiedebrücke in Fahrtrichtung Kreuzung ERA / Breiter Weg vorgezogene Lichtsignalanlagen zu installieren, so dass der Straßenbahnfahrer dort nur einmal sein Freizeichen erhält und dann „Non stop“ ohne einen nochmaligen Ampelhalt an der Kreuzung bis in die nächste Haltestelle Alter Markt bzw. Allee-Centerdurchfährt? In anderen Städten (wie z. Bsp. in Nizza in FRA) funktioniert dies ohne Probleme. Man muss dies nur wollen. Ich bin selbst Verkehrsplaner.
70 Personen sitzen in 59 Autos und brauchen gut 101 Sekunden über die Kreuzung. Wenn man 1/5 weg rundet beim Rechnen, 70 Mal, dann wird der ganze Artikel weniger glaubhaft weil übertrieben gut für Öffis und das ganz unnötig, denn 101 Sekunden sind immer noch 84 Sekunden weniger, also 1,2 Sekunden pro Person weniger. Das sind aber 84 Sekunden für jede Person drum herum in irgendeinem Fahrzeug, also sehr wertvolle Sekunden.
Wenn man tag täglich erlebt, wie die Bahnen sich im Verkehr unterordnen, kann das nur Wunschvorstellung sein. Ein fahren von Haltestelle zu Haltestelle ohne mindestens einmal zusätzlich anzuhalten, ist gar nicht möglich. Sogar an untergeordneten Straßen wird gehalten, um dem Individualverkehr die Vorfahrt zu gewähren. Passiert ständig am Sudenburger Wochenmarkt oder Jordanstraße. Bahn kommt- es wird Rot. Wenn man von Damaschkeplatz zum Alten Markt fährt, braucht die Bahn locker 6-7 Minuten. Das schafft man auch zu Fuß.