Sie behalten den Verkehr im Auge, sind Ansprechpartner für Fahrpersonal und auch für Fahrgäste, ohne sie läuft nichts. Auch nachts nicht. Die Rede ist von den Kollegen aus der Betriebsleitstelle.
Ich begleite die Kollegen heute in ihrer Nachtschicht. Steven Holzwarth und Christoph Lemke nehmen mich mit im Unfallhilfswagen, Luca-Leon Bartels bleibt im Büro der Leitstelle, um eingehende Funksprüche zu beantworten und ggf. an die Kollegen „draußen“ weiterzuleiten.
Mika Ballhausen hat für euch ein Video zur Arbeit der MVB-Verkehrsaufsicht gemacht:
Schichtwechsel
Pünktlich um 22 Uhr beginnt unsere Schicht mit der Übergabe durch die Tagschicht. „Heute Abend gibt es jede Menge Demonstrationen in der Stadt. Die Signalanlage am Hasselbachplatz ist deswegen abgeschaltet. So schützen wir die Technik vor Vandalismus“, berichtet mir Christoph ein Detail aus dem Übergabegespräch.
Neben diesen Dingen müssen die Kolleginnen und Kollegen auch das Wetter im Blick behalten. Die ersten Temperatursensoren melden Minusgrade, zusätzlich ist leichter Schneefall angekündigt. Christoph und seine Kollegen beraten darüber, ob der Winterdienst für die Haltestellen angefordert werden muss.
Am Funk wird es langsam ruhiger, die meisten Busse und Bahnen rücken nach und nach in die Betriebshöfe ein. Jetzt ist es Aufgabe der Nachtlinien, Magdeburgs Menschen mobil zu halten. Einer unserer ersten Wege mit dem Unfallhilfswagen führt uns gegen 23:15 Uhr zum Alten Markt. Dort soll der Anschluss der Nachtlinien am Alten Markt abgefertigt werden. Stehen alle Fahrzeuge bereit und haben alle Fahrgäste ihren Weg in die richtige Bahn bzw. den richtigen Bus gefunden, gibt Christoph die Abfahrt frei: „Alle Züge im Bereich Alter Markt: bitte abfahren!“, spricht er in das Handfunkgerät. Motoren werden gestartet, die Straßenbahnen rollen los und nach und nach verteilen sich die Fahrzeuge in alle Himmelsrichtungen und verschwinden in die Nacht. Dies passiert anfangs halbstündlich, ab Mitternacht stündlich, bis 6:15 Uhr der letzte Anschluss abgefertigt wird.
Signalstörung
Kurz nach dem wir wieder im Auto sitzen, ruft Luca aus der Leitstelle an. Die Signalanlage des eingleisigen Streckenabschnitts am August-Bebel-Damm ist ausgefallen, zeigt den Straßenbahnen also nicht mehr, ob sie fahren dürfen oder nicht. Verursacht wurde die Störung durch den Winterdienstwagen, der aus zwei umgebauten Tatra T4D besteht. Da die alten Wagen mit zwei Stromabnehmern unterwegs sind, ist das Schaltprogramm der Signalanlage in den Störmodus gewechselt. Zwei Stromabnehmer würden ja theoretisch auch zwei Bahnen bedeuten – sicherheitshalber schaltet der Computer die Signale aus, denn so muss zwingend vor der Engstelle angehalten werden. Währenddessen müssen sich alle Bahnen, die den Abschnitt befahren wollen, in der Leitstelle anmelden. Luca sieht dort anhand der GPS-Standorte der Wagen, ob der eingleisige Abschnitt frei ist und regelt so den Zugbetrieb. Besonderes Augenmerk bekommen die einrückenden Züge, sowie der Nachtverkehr. Schließlich muss auch der Winterdienstwagen koordiniert werden.
Wir sind inzwischen vor Ort und schalten die Signalanlage per Hand wieder ein. Das ist aus Sicherheitsgründen nötig, denn so kann vorher geprüft werden, ob die Strecke frei ist.
Alarm am Stromverteiler
Die Zeit bleibt natürlich nicht stehen, und so sind wir auf dem Weg zum Alten Markt, um den nächsten Anschluss abzufertigen. „Alle Züge im Bereich Alter Markt: bitte abfahren!“
Kaum sitzen wir wieder im Warmen, klingelt das Handy. Luca meldet einen Alarm im Gleichrichterunterwerk Buckau. Eine geöffnete Tür wird vom System gemeldet. Wir fahren hin, um dies zu überprüfen. Nach gründlicher Untersuchung stellen wir nur einen Fehlalarm fest und setzen die Alarmanlage zurück. Eine Stunde später sehe ich nun zum dritten Mal die gleichen Fahrzeuge, die Kollegen und höre abermals das Startzeichen des Nachtverkehrs: „Alle Züge im Bereich Alter Markt: bitte abfahren!“ Ein wenig fühle ich mich wie Bill Murray im Filmklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
Der Nachtverkehr wechselt nun in den Stundentakt. Jetzt ergibt sich kurz die Gelegenheit für einen Kaffee, kurzes Aufwärmen und einen Austausch mit Luca in der Leitstelle.
Kurz danach meldet ein Fahrer der N5, dass in Stadtfeld und Diesdorf inzwischen mehr Schnee liegt. Wir fahren also durch Stadtfeld und zur Westringbrücke, wobei wir auf dem Weg feststellen, dass an der Ersatzhaltestelle Hauptbahnhof Nord randaliert wurde. Nachdem wir dort wieder Ordnung geschaffen haben, setzen wir unseren Weg fort. Im Westen der Stadt angekommen, bestätigt sich die Meldung des Kollegen: eine kleine Schneedecke hat sich gebildet. So wird der Winterdienst angefordert.
Kurz darauf meldet uns Luca aus der Leitstelle einen verletzten Fahrgast. Wir fordern den Rettungsdienst an und warten vor Ort am Bus. Christoph, der ehrenamtlich als Feuerwehrmann tätig ist, leistet derweil Erste Hilfe. Wir übergeben den Mann schließlich an die Mitarbeiter des Rettungsdienstes und setzen ein letztes Mal für diese Nachtschicht Kurs in Richtung Leitstelle.
Feierabend, wenn andere aufstehen
Dieser Einblick in die Nacht bei der Leitstelle hat meine Sicht auf den Betrieb abseits von Rush Hour und Tageslicht verändert. Erstaunlich viel wird von den Kolleginnen und Kollegen im für die Fahrgäste Verborgenen gemeistert. Nur eines fehlt: Langeweile.
Als es langsam hell wird, bin ich schließlich zu Hause und falle in mein Bett. Draußen startet inzwischen ein neuer Tag für die meisten Menschen in und um Magdeburg.
Bis bald,
euer Florian.
Toller Beitrag gern mehr davon:)