Tram im Rückwärtsgang

Oft werde ich als Straßenbahnfahrer gefragt, ob eine Straßenbahn auch rückwärts fahren kann.
In diesem Beitrag möchte ich also das Geheimnis lüften.

Aber ganz von vorn. Weshalb sollte eine Bimmel eigentlich den Rückwärtsgang einlegen? Schließlich gibt es ja überall Wendeschleifen und Weichen. Die Gründe sind zahlreich, wie zum Beispiel auf dem Betriebshof, zum Rangieren. Da wird jeden Tag fleißig vorwärts und natürlich auch zurückgefahren, denn das geht oft viel schneller, als einmal über den gesamten Hof zu „kurven“. Oft geht das auch gar nicht, weil zum Beispiel ein Werkstattgleis belegt ist. Steht dahinter ein Wagen, muss er eben zurücksetzen.

Aber auch im Streckennetz fernab des Depots kann eine Rückwärtsfahrt notwendig sein. Etwa nach einem Unfall, wenn ein defektes Fahrzeug vom Ort des Geschehens abgeschleppt werden muss, muss es unter Umständen zunächst ein paar Meter zurück gesetzt werden.

Aus zwei mach eins

Bei unseren modernen Niederflurwagen geht das so: Der oder die Fahrer:in schaltet das Fahrzeug so um, dass das Bedienpult im Heck der Bahn genutzt werden kann. Dann läuft er oder sie dorthin und kann nach wenigen Handgriffen losfahren. Die Vorschrift ist nämlich: „Die Spitze des Zuges muss besetzt sein.“ Soll heißen: Egal, ob vorwärts oder rückwärts gefahren wird, es muss immer jemand in Fahrtrichtung schauen können. Praktisch also, wenn man dort auch gleich eine Steuerung hat. Da das früher nicht möglich war, mussten bei den Tatrabahnen vom Typ T4D auch bis in die 1990er-Jahre 2 Menschen zum Rangieren an Bord sein. Einer steuerte vom Fahrer:innen-Arbeitsplatz aus, der andere stand im Heck und gab Signale zum Fahren und Bremsen. Hier wird klar: Mit einem Rückfahrstand, so heißt das Pult in der Fachsprache, ist das Rangieren mit nur einer Person möglich.

Nur Ausnahmsweise

Doch, wenn die Bahnen auch Rückwärts fahren können, warum nutzt man das nicht für besondere Situationen, wie zum Beispiel bei der Weichen-Havarie Ende Dezember im Breiten Weg?
Rein theoretisch kann so eine Bahn auf einem Gleis hin- und her fahren, doch bei der Rückwärtsfahrt sind viele wichtige Funktionen nicht verfügbar. Das fängt bei den Türen an: sie lassen sich nur vom Fahrer*innen-Arbeitsplatz aus bedienen. Eine Haltestelle mit Fahrgästen könnte man also nicht bedienen. Auch ein Rückspiegel fehlt, um alles im Blick zu behalten. Zudem fällt der Bremssand im Rückwärtsgang nicht vor, sondern hinter die Räder, da die Drehgestelle nur für eine Fahrtrichtung gestaltet wurden. Damit darf eine Straßenbahn nicht am Straßenverkehr teilnehmen, denn die Sicherheit steht in der Personenbeförderung schließlich an erster Stelle! So dient der Rückfahrstand nur für Fahrten auf dem Betriebshof, oder in Ausnahmefällen auch „auf Strecke“, dann jedoch ohne Fahrgäste.

Also dann bis bald!
Johannes

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