Wenn man derzeit aus dem Fenster nach draußen schaut, dann kann man den Herbst in seiner vollen Pracht bewundern. Tiefstehende Sonne, die ersten kalten Nächte und der Wind, der die bunt leuchtenden Blätter von den Bäumen fegt. Die fallen zu Boden und man kann super Laubhaufen damit machen.
So schön dieses jährliche Ereignis für einige ist, so problematisch ist das für alle Schienenfahrzeuge, besonders jedoch für die Straßenbahn.
Das Laub wird vom Wind über den Boden geblasen und sammelt sich überall dort, wo es Vertiefungen gibt. Das sind dann auch die Schienenrillen unserer Straßenbahngleise und damit auch die Schienen selbst. Ein solcher Laubhaufen im Gleis ist problematisch, denn wenn die Blätter unter die Tram-Räder gelangen, werden sie dort zerdrückt und zermahlen und bilden einen sehr rutschigen Schmierfilm.
Prinzipbedingt fahren U-Bahnen, Züge und auch Straßenbahnen auf Stahlschienen. Die Räder der Bahn bestehen ebenfalls aus Stahl, wodurch ein sehr geringer Rollwiederstand entsteht. Das spart viel Energie ein und macht die Tram sehr effizient.
Leider sorgt nun der herbstliche Blätterregen dafür, dass sich die Hafttreibung so weit verringert, dass die Räder beim Abbremsen der Straßenbahn sehr leicht ihre Haftung verlieren und anfangen zu rutschen.
Diesen Vorgang nennt man „Gleiten“. Aufgrund des großen Gewichtes eines Straßenbahnwagens (eine Niederflurbahn wiegt leer immerhin knapp 32 Tonnen) würde er nun so lange gleiten, bis er seine Bewegungsenergie aufgebraucht hat und zum stehen kommt.
Was jetzt sehr nach Physikunterricht klingt, lässt sich mit einem einfachen Satz erklären:
Im Herbst, wenn Laub auf den Schienen liegt, wäre es ohne Hilfsmittel fast unmöglich, die Tram rechtzeitig anzuhalten, etwa vor einer Ampel.
Umgekehrt gilt übrigens das Gleiche: Ein Anfahren der Bahn auf rutschigen Schienen ist manchmal fast unmöglich.
Die Lösung: Sand, genauer gesagt: Quarzsand
Deshalb gibt es ein Mittel, das das Gleiten der Räder verhindert: Der Bremssand.
Dieser Sand besteht aus kleinen, runden Quarzsandkörnchen. Klein, damit der Sand leicht rieselt. Rund, damit er nicht zusammenklebt. Deshalb kann man mit dem Bremssand übrigens keine Sandburgen bauen ;).
Wenn die Leittechnik der Bahn also misst, dass eine der Achsen ins gleiten gerät, wird automatisch etwas Sand direkt vor die Räder auf die Schiene gestreut.
Dort wird er von den Rädern zermahlen und wirkt dabei wie Schleifpapier, denn die Oberfläche wird sehr rau. Somit kann die Rutschpartie beendet werden und ich als Fahrer kann meinen Zug sicher zum Stehen bekommen. Natürlich kann ich auch selbst über einen Knopf im Bedienpult etwas Sand vor die Räder streuen, wenn ich beispielsweise schon von weitem erkennen kann, dass in der Haltestelle viel Laub auf den Schienen liegt.
Dieser Vorgang ist im Innenraum der Bahn durch ein deutliches Surren im ersten bzw. im letzten Teil der Bahn gut zu hören. Dort, unterhalb der Fahrgastsitze, befinden sich auch die Vorratsbehälter, in der der Sand mitgeführt wird. An den Endstellen gibt es dann zusätzlich auch stationäre Sandkisten, an denen der Vorrat in der Tram aufgefüllt werden kann. Gerade jetzt im Herbst muss ich als Fahrer in fast jeder Runde mal etwas Sand nachfüllen, vor allen bei den Zügen mit einem Beiwagen. Diese Fahrzeuge streuen nämlich mehr Sand, damit auch der Beiwagen etwas abbekommt.
Zermahlener Sand sorgt übrigens auch für den sehr charakteristischen Geruch nach dem Anhalten, der etwas an Silversterknaller erinnert.
Eine wichtige Sache zum Schluss noch: ist der Sand leer, darf die Bahn nicht mehr zur Personenbeförderung weiterfahren. Deswegen ist es sehr wichtig, als Fahrer dafür zu sorgen, dass immer ausreichend Sand vorhanden ist. Wenn ihr also in der Abfahrthaltestelle der Endstelle steht, auf die Bahn wartet und seht, wie der oder die Fahrerin noch in der Bahn herumläuft, so trödelt er natürlich nicht. Vielmehr sorgt er für die Sicherheit. Und die ist schließlich unsere oberste Pflicht. 🙂
Bis bald!
Spannender Beitrag und wieder was gelernt. Daumen hoch.
Danke für die Informationen und allzeit gute und unfallfreie wünschen wir.
Familie Matthias Gehrmann