„Meister, wo jeht’s lang?“ – Die Arbeit der Leitstelle

Heute nehme ich euch mit in die Verkehrsleitstelle, dem Herzen der MVB. Sie überwacht den gesamten Bahn- und Busverkehr in der Stadt. Bei Störungen und Unfällen ist schnelles und überlegtes Handeln gefragt, damit die Räder weiter rollen.

Dazu bin ich bereits um 4 Uhr morgens aufgestanden, um pünktlich 5.50 Uhr im Verkehrshaus anzukommen. Das Verkehrshaus ist die Hauptverwaltung der MVB und beherbergt neben den verschiedenen Fachabteilungen der Verwaltung auch das Kundenzentrum sowie die Betriebsleitstelle – den Arbeitsort unserer Mitarbeiter:innen des Verkehrsbereichs Aufsicht. 19 Mitarbeitende arbeiten in den drei Dienstschichten Früh, Spät und Nacht daran, dass der Verkehr bei Bus und Bahn flüssig und störungsfrei läuft. Dabei verrichten meistens vier Verkehrsmeisterinnen und -meister ihren Dienst in einer Schicht – zwei im Innendienst in der Betriebsleitstelle und zwei im Außendienst auf dem Unfallhilfswagen. Sie sind erster Ansprechpartner für unsere Fahrerinnen und Fahrer. Sie helfen bei Störungen, legen Umleitungen fest und takten im Anschluss den Fahrplan wieder ein.

Christoph Lemke ist Verkehrsmeister bei der MVB

 

Verabredet bin ich mit Christoph Lemke. Er ist seit 2015 bei der Betriebsaufsicht und hat bei der MVB seine Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb absolviert. 2015 erfolgte dann die Weiterbildung zum Verkehrsmeister. Inzwischen ist es 6.00 Uhr und der Frühdienst löst die Kollegen des Nachtdienstes ab. Bei der Übergabe wird das Wichtigste geklärt: aktuelle Störungen, angemeldete Reparaturarbeiten usw.

Fahrer erkrankt: Improvisation gefragt

Heute, an einem Freitagmorgen, fehlt lediglich eine Bahn auf der Linie 9. Diese ist nicht wie geplant aus dem Betriebshof gefahren. Der Fahrer einer Linie 10 ist kurzfristig erkrankt und nicht mehr fahrtüchtig. Um einen 40-Minuten-Takt im morgendlichen Berufsverkehr zum Barleber See zu verhindern, ist der Kollege, der eigentlich Dienst auf der Linie 9 hat, auf der Linie 10 ausgefahren. So entsteht zwar immer noch ein „Taktloch“, aber ein kleineres. Ein Kollege, der Reserve hat, wurde verständigt und ist auf dem Weg zum Betriebshof Nord, um die nun fehlende „9“ auszufahren.

Nach der Dienstübergabe beginnt auch schon die Arbeit. Es meldet sich Triebwagen 703 zu Schleifarbeiten im Streckennetz an. Der Schienenschleifwagen schleift also heute Vormittag die Schienen im nördlichen Stadtgebiet, damit die Straßenbahnen möglichst leise sind. Dann klingelt schon das Telefon und ein weiterer Mitarbeiter des Gleisbaus meldet sich mit Schmierarbeiten am Gleisdreieck Hasselbachstraße an. Christoph Lemke erzählt mir, dass im Netz jeden Tag unzählige Gewerke ihren Dienst verrichten und täglich Arbeiten stattfinden. Das Telefon schellt erneut und die Weichenschlosser melden sich mit Arbeiten an Weiche 168 an der Raiffeisenstraße Richtung Osten.

Die Arbeitsplätze in der Betriebsleitstelle

 

Defekte Tür hält Betrieb auf

Gefunkt wird auch fleißig. Eine Linie 4 meldet sich von der Haltestelle Allee-Center mit einer Türstörung, eine der Straßenbahntüren öffnet und schließt nicht so, wie sie soll. Das hält den Fahrplan auf und auch hier ist jetzt schnelles Handeln gefragt. Auf Anweisung schaltet die Kollegin die Tür bis Cracau manuell aus, d. h. die Tür öffnet zur Sicherheit der Fahrgäste vorerst gar nicht mehr. An der Endstelle wird die Fahrerin die Türsteuerung dann neu starten.

Dank ITCS alles im Blick

Nach rund zwei Stunden gießt sich Christoph Lemke einen Kaffee ein und hält mit den Kollegen ein kurzes Gespräch über alltägliches, ohne dabei die Monitore und das ITCS aus dem Blick zu lassen – das digitale Betriebsleitsystem. Mit dem ITCS sind alle Bahnen und Busse ausgestattet. Im Intermodal Transport Control System sind die elektronischen Fahrplandaten der Bahnen und Busse hinterlegt. Es zeigt dem Fahrpersonal Zeit und Weg, über das ITCS läuft aber auch der Funk und der Notruf der Fahrzeuge. Sogar betriebliche Textnachrichten können über das ITCS an die Bordrechner der Fahrzeuge gesendet werden.

In der Leitstelle kann via GPS jede Bahn und jeder Bus auf einer Karte lokalisiert und Kontakt zu ihm aufgenommen werden, erklärt mir Christoph. Jeder Bus und jede Bahn kann auch jederzeit Kontakt mit der Leitstelle aufnehmen. Letztere funkt immer als „Version 1“ die Bahnen mit ihrer Linienkennung an. Die Linienkennung ist wichtig, um die Straßenbahn-Züge eindeutig identifizieren zu können, da immer mehrere Bahnen auf einer Linie unterwegs sind. So heißt eine Straßenbahn der Linie 3 beispielsweise „3 Zug 5“ – also die 5. Bahn auf der Linie 3.

Stadtkarte mit den Standorten der Fahrzeuge

 

Für den Notfall verfügen die Bahnen und Busse über einen Notruf. So werden sie von den Leitstellenmitarbeitenden sofort und priorisiert angesprochen. Das ist zum Beispiel bei Verkehrsunfällen der Fall.

Es klingelt wieder mal das Telefon. Die Linie 9 Zug 1 ist mittlerweile aus dem Betriebshof Nord ausgefahren und setzt an der Kastanienstraße Ost wieder ein, meldet der Mitarbeiter vom Betriebshof Nord. Christoph sagt ihm noch Bescheid , dass er drei Minuten an der Kastanienstraße Ost warten kann, bevor er dann pünktlich Richtung Reform einsetzt.

Ein neuer Straßenbahn-Zug muss her

Währenddessen meldet sich aus Cracau die Linie 4 mit der gestörten Tür wieder. Diese funktioniert nun gar nicht mehr. Christoph muss daher einen Austauschzug organisieren. Glücklicherweise steht auf dem Betriebshof Nord eine Straßenbahn bereit. Ein Werkstattmitarbeiter bringt den Tauschzug nach Cracau. Damit die Fahrt der Linie 4, bis der Tauschzug angekommen ist, nicht ausfällt, fährt die Bahn jetzt eine Runde mit abgeschalteter Tür 5 nach Olvenstedt. Die defekte Tür ist mit einem Aufkleber von der Fahrerin gekennzeichnet worden, damit die Fahrgäste nicht vergebens davor stehen. Wenn die Bahn von Olvenstedt zurück in Cracau ist, wird der Straßenbahn-Zug getauscht und die Bahn mit dem Defekt fährt als Dienstfahrt in die Werkstatt. Linie 4 Zug 3 kann ihre Fahrt ohne Mängel fortsetzen.

Schaltpult der Fahrsignalanlage Hasselbachplatz

 

„Was passiert eigentlich bei einem Unfall?“, frage ich Christoph.

Bei einem Unfall betätigt der Straßenbahnfahrer den Notrufknopf im Bordrechner. Der Notruf läuft sofort bei den Mitarbeitenden in der Leitstelle auf. Um mich davon zu überzeugen, testen wir das. Auf dem Rechner sehe ich sofort den Standort der Bahn. Nun funke ich die Bahn an, um mich zu erkundigen, was los ist. Die Bahn gibt eine Meldung ab, nach der dann gehandelt werden kann. So verständigt die Leitstelle dann gegebenenfalls Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst direkt. Nicht unwichtig ist auch der Fakt, ob der Unfall zu einer Streckensperrung führt. Sollte dies der Fall sein, wird umgehend per Funk an alle Straßenbahnen und Busse eine Umleitung durchgegeben, damit niemand in eine „Sackgasse“ fährt. Außerdem muss die Umleitung als Informationstext in die Fahrgastinfomationsanzeigen eingespeist und das Kundenbeziehungsmanagement benachrichtigt werden. Dieser informiert dann die Fahrgäste über den MVB-Störungsmelder auf der Website, Facebook, Twitter und an der kostenfreien Service-Hotline der MVB.

Mit dem orangenen Unfallhilfswagen zum Einsatz

Die Kolleginnen und Kollegen im Außendienst auf den Unfallhilfsfahrzeugen eilen währenddessen zu Hilfe. Bei Unfällen mit Personenschaden oder wenn Gefahr im Verzug ist, dürfen sie sogar mit Sonder- und Wegerecht – so nennt man Blaulicht und Martinshorn in der Fachsprache – durch die Stadt fahren. Der Unfall wird dann aufgenommen, ggfs. Erste Hilfe geleistet und der Fahrdatenspeicher des Busses oder der Bahn entnommen und gesichert.

Jetzt wird eingetaktet

Wenn nach Beräumung der Unfallstelle die Umleitung aufgehoben werden kann, geht hier die Arbeit im Innendienst erst so richtig los, denn es müssen alle Straßenbahnen und Busse wieder „eingetaktet“ werden, damit diese wieder nach Fahrplan fahren. Das erfolgt durch „Kurzwenden“ an Wendeschleifen, die auf der Strecke liegen, durch Aussetzen von geplanten Routen oder das Abkürzen über andere Strecken. Dabei ist immer zu beachten, dass nirgends ein größeres „Taktloch“ entsteht.

Einer von zwei Unfallhilfswagen der MVB

 

Kontrollfahrt durch die Stadt

Die Mitarbeiter:innen im Außendienst fahren aber nicht nur zu Unfällen. Sie schauen auch, ob im Streckennetz alles funktioniert. Sie schalten zum Beispiel ausgefallene Fahrsignalanlagen wieder ein, so wie z. B. am Hasselbachplatz oder die Fahrsignalanlage des eingleisigen Streckenabschnitts im Herrenkrug. Sie überprüfen Bahnübergänge und schauen, ob die Haltestellen in Ordnung sind. Heute stellen sie fest, dass die Haltestelle Arenen beschmiert wurde. Leider hat es auch die Haltestellen IKEA und Danziger Dorf getroffen.

Für die Kontrollfahrten durch die Stadt werden die schon erwähnten Unfallhilfswagen genutzt. Diese heißen im Funk „Version 32“ und  „Version 34“. In den baugleichen Fahrzeugen befindet sich alles, was bei der Streckenkontrolle benötigt wird. Vom Weichensteller und Weichenkeile bis hin zu Signaltafeln für Tempolimits. Das MVB-Außendienst-Team kennt ihr vielleicht vom Nachtanschluss am Alten Markt. Sie prüfen beim zentralen Anschluss, ob alle Nachtaktivlinien da sind und der Fahrgastwechsel abgeschlossen ist. Dann pfeifen sie über Funk den Anschluss ab und geben die Weiterfahrt mit den Worten: „Anschluss Alter Markt bitte abfahren“ frei.

Um 14.00 Uhr sind wir dann zurück von der Kontrollfahrt im Streckennetz. Bei der Übergabe werden Wartungsarbeiten an einer Weiche am Hasselbachplatz besprochen. Nun ist für den Frühdienst Feierabend und der Spätdienst übernimmt. Denn die Räder der MVB stehen nie still.

Bis zum nächsten Mal, euer Florian.

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