Kein normaler Winter

Es war einer der stärksten Wintereinbrüche seit vielen Jahren, nicht nur in Magdeburg. Am Morgen des 07. Februar 2021 zog ein Tiefdruckgebiet über Deutschland und brachte starke Schneefälle, sowie Wind und Kälte.
Somit sahen sich auch die Magdeburger Verkehrsbetriebe vor einer Herausforderung, die in dieser Form nur sehr selten Auftritt.

Zunächst verlief alles nach Plan.

Bereits am Freitagabend waren vorsorglich alle Winterdienstwagen in Bereitschaft versetzt worden. Konkret bedeutet das: Zwei Schneepflüge, zwei Freifahrtraktionen (so nennt man Arbeitswagen, die die Strecken durch fortlaufendes Befahren frei halten) und der Oberleitungs-Enteisungszug. Dieser besitzt eine Einrichtung zum Entfernen von Eis an der Stromversorgung.
Natürlich waren auch die Mitarbeiter auf den Betriebshöfen einsatzbereit und weitere Kolleginnen und Kollegen in Rufbereitschaft. Der Freitag- und Samstagabend verlief zunächst ruhig und so befuhr die Freifahrtraktion die Strecken.
Als in den frühen Morgenstunden des Sonntags der Schneefall zunahm und Sturm aufzog, ahnte noch niemand, in welche Dimensionen dieser Wintersturm noch vorzudringen vermochte. So fuhren auch die ersten Niederflurwagen planmäßig von den Betriebshöfen in Richtung Innenstadt los, da die Strecken noch frei waren.

Schon sehr bald zeichnete sich ab, dass unter den stetig schlechter werdenden Bedingungen kein sicherer Betrieb mehr möglich sein würde. Trotz Winterdienstes steckten erste Straßenbahnen im Schnee fest, nachdem sich dieser unter den Drehgestellen der Wagen so weit verdichtet hatte, dass die Räder keinen Kontakt mehr zur Schiene hatten. So erging es mehreren Wagen, unter anderem auf der Strombrücke, am Damaschkeplatz und am Messegelände.

In der Folge wurde der gesamte Fahrgastbetrieb mit Straßenbahnen und Bussen gegen 07:00 Uhr eingestellt – ein tiefer Einschnitt in die Mobilität der Menschen in Magdeburg.

Eine solche Entscheidung wurde freilich nicht „einfach so“ getroffen, sondern stellte eine genaue Abwägung zwischen sicherem Betrieb einerseits und Beförderungsauftrag andererseits dar. Aufgrund der Witterungslage war es somit am Sonntagmorgen nicht mehr möglich, die Sicherheit der Fahrgäste zu gewährleisten.
Diesen Zustand schnellstmöglich wieder herzustellen war und ist selbstredend der Anspruch aller Mitarbeitenden der MVB und so wurde bereits am Vormittag des Sonntags damit begonnen, mit Schneepflügen und Räumgerät die Straßenbahntrassen befahrbar zu halten. Dies geschah fortlaufend, doch angesichts des starken Schneefalls, der böigen Winde und des Autoverkehrs, der den Schnee alsbald wieder fest fuhr, war dies ein schier endloser Auftrag für die Kolleginnen und Kollegen im Winterdiensteinsatz. War eine Strecke freigefahren, sah es nach 10 Minuten wieder so aus, als sei nie ein Winterdienstfahrzeug vorbeigekommen.

 

Was ist eigentlich das genaue Problem?

Die Kombination aus Schneemenge, Eis und Wind war ausschlaggebend, warum der Verkehr zum erliegen kam. Normalerweise machen ein paar Zentimeter Schnee der MVB nichts aus. Weichenheizungen tauen den Schnee weg und Straßenbahnen können über das weiße „Glück“ fahren. Doch der Dauer Niederschlag und der Wind war einach zu viel des Guten. In den Schienen, die in die Straße eingelassen sind, presste sich der Schnee hinein, verdichtete sich, gefror und wurde somit hart wie Beton. Keine Weiterfahrt möglich, Entgleisungsgefahr!

 

Im Dauereinsatz

Für ein paar Stunden begleitete ich an diesem Tag zwei Kollegen auf ihrem Fahrzeug, um mir selbst ein Bild über die Arbeit zu machen und euch davon berichten zu können.
Der Wagen, auf dem ich mitfuhr, trägt die Nummer 729. Er besitzt einen verstellbaren Keilpflug und wiegt etwa 18 Tonnen. Mühelos meistert er Schneewehen und widrige Witterungen. Doch dieser Tag führte das Fahrzeug an seine Grenzen.
Immer wieder stockte die Fahrt durch das Stadtgebiet. Vereiste Weichen, teils anderthalb Meter hohe Schneeverwehungen und verdichteter Schnee sorgten in dieser Schicht fortlaufend für Verzögerung. Mal fuhr sich der Straßenbahnwagen, ein ehemaliges Fahrzeug aus dem Liniendienst vom Typ Tatra T4D, fest, mal konnte eine Weiche nicht korrekt gestellt werden, weil sie vereist war. So waren die Kollegen immer wieder mit Schaufel, Drahtbesen und Stemmeisen im tiefen Schnee und kalten Wind im Außeneinsatz.
Dazu kam, dass das Räumschild nicht überall genutzt werden konnte. So reichte der Platz in manchen Haltestellen nicht aus, damit das überbreite Fahrzeug mit gesenktem Pflug diese passieren konnte. An einen Betrieb mit „normalen“ Trams war gar nicht zu denken.
So entschied man sich, ab den Abendstunden einen Notverkehr mit Bussen einzurichten, die wie die Nachtlinien N1-N8 verkehrten. Nach Startschwierigkeiten musste dieser jedoch zunächst wieder eingestellt werden, denn oft blieben die Gelenkbusse auf den Straßen stecken. Auch der städtische Winterdienst kam, obwohl ebenfalls im Dauereinsatz, nicht hinterher.

Auch am Montag ging erstmal nichts

Trotz allen Aufwandes gelang es nicht, die Straßenbahnstrecken so weit zu räumen, dass am Montag, den 08.02. der Betrieb wieder aufgenommen werden konnte. Diese Hoffnung musste man aufgeben. Aufgegeben hatte man den Kampf aber keinesfalls. Im Hintergrund waren 24 Stunden lang Mitarbeitende und beauftragte Fremdfirmen dabei, das Netz von Schnee und Eis zu befreien. Auch der normale Busverkehr konnte nicht wieder aufgenommen werden, so startete man einen weiteren Versuch, den Notverkehr mit den kürzeren Standardbussen wieder aufzunehmen. Die Gelenkbusse kamen einfach nicht durch.

Priorität bei der Beräumung hatten zunächst die Strecken zu den beiden Betriebshöfen in Rothensee und Westerhüsen. Denn ohne Betriebshof, kein Verkehr!

Dies gelang schließlich am Abend und somit konnte zumindest eine Minimalversorgung für unsere Fahrgäste bereitgestellt werden.

Um zeitnah auch wieder eine kapazitätsstarke Straßenbahnverbindung anbieten zu können, war die in den Ferien sonst nicht genutzte Linie 8 ab Dienstag, 09. Februar, in Betrieb. Ausgehend vom Betriebshof Westerhüsen sollten die, aufgrund der Streckenverhältnisse ausschließlich als Hochflurwagen verkehrenden, Züge eine Nord-Süd-Verbindung herstellen und aufrecht halten. Durch einen feststeckenden Winterdienstwagen in der Innenstadt war die Linie 8 jedoch kurze Zeit später wieder unterbrochen und konnte erst in den späten Abendstunden verkehren.
Parallel zu den Bemühungen, den Linienbetrieb durchzuführen und die Strecken zu den Betriebshöfen fahrbereit zu halten, begannen erste Räumarbeiten in bislang noch unbenutzbaren Streckenabschnitten. Schweres Gerät rückte an, um die Trassen und Haltestellen schneefrei zu bekommen. Radlader schaufelten unermütlich große Mengen Schnee in Lastwagen, welche ihn schließlich abtransportierten, denn auf anderem Wege war dem Problem nicht beizukommen.

Durch diese Maßnahmen war es am Morgen des 10. Februar schließlich möglich, die Tramlinien 9 und 10 wieder in Betrieb zu nehmen. Letztere musste jedoch anfangs nach Westerhüsen umgeleitet werden, denn in Reform waren die Räumarbeiten zunächst nicht abgeschlossen.
Erfreulicherweise war ab Betriebsbeginn auch der Einsatz von niederflurigen Wagen möglich, sodass sich der Nahverkehr ein kleines Stück in Richtung Normalität bewegte.

Wir geben alles!

Nach wie vor gibt es heute, am 12. Februar, Strecken, die noch nicht mit der Straßenbahnen befahren werden können. So ist die Linie 6 aktuell nicht in Betrieb, denn die Strecke in den Herrenkrug kann nicht einfach schnell mit einem Radlader vom eisigen Belag entfernt werden. Hier werden Maschinen benötigt, die sowohl auf den Schienen, als auch auf der Straße fahren können. Diese sogenannten Zweiwegefahrzeuge werden überall dort gebraucht, wo der Einsatz von reinen Straßenfahrzeugen nicht möglich ist, wie beispielsweise im offenen Gleis.
Außerdem macht die durch den Sonnenschein und anschließenden Frost entstandene Eisschicht auf vielen Weichen eine Befahrung nicht möglich. Hier muss teils in Handarbeit das Eis entfernt werden, damit ein sicherer Betrieb ermöglicht werden kann. Ein echter Knochenjob, der jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter viel abverlangt.

So tut jede Abteilung im Unternehmen derzeit alles, um so bald wie möglich in den normalen Betrieb zurückzukehren. Dies gelingt uns oft, an manchen Stellen benötigen wir etwas mehr Zeit, bis es soweit ist. Dafür bitten wir unsere Fahrgäste um Verständis, denn auch für uns Mitarbeitende ist die derzeitige Situation ungewohnt und schwierig.

Abschließend sehe ich dem Ausgang aus dieser Lage jedoch positiv entgegen und hoffe, dass sich bald wieder alle Räder drehen werden.

Bis bald!
Johannes

Alle Informationen zur aktuellen Verkehrslage im Zusammenhang mit dem Winterwetter hat die MVB hier zusammengestellt: www.mvbnet.de/winter

3 Responses

  • Tja, hätte die MVB mal in den letzten Jahren mehr in Ihre Busse statt in den ganzen Straßenbahnlinien investiert, dann würde der Verkehr, der MVB heute bereits wieder reibungslos laufen, da die Busse halt viel flexibler sind und nicht das Stadtbild, meiner Meinung nach, immer mehr verschändeln, wie die ganzen Straßenbahnen.

    • Na Du erzählst ja einen Quatsch von wegen verschandeln des Stadtbildes…
      Wir können absolut froh sein das wir eine (im Normalfall) super Anbindung durch die ganze Stadt haben und das sogar Umweltfreundlich. 🤷🏻‍♂️
      Mich stört nur eins extrem an der MVB und zwar das die es NIE hinbekommen sich an ihre eigenen Fahrpläne zu halte. 5 min zu früh, 10 min zu spät oder öfters auch einfach mal gar nicht… Unabhängig vom Wetter. Das geht gar nicht, Hauptsache die Preise jedes halbe Jahr erhöhen.

    • Naja, das kommt ganz auf die Gestaltung der Straßenbahnen und deren Linien an. Schauen Sie sich die Neubaulinien mal genauer an, viel grün, separate Gleise, tolles Silhouette.

      Waren Sie einmal in Dresden? Die Stadt hat sich damals als einzige FÜR Straßenbahnen und GEGEN U-Bahnen entschieden, als diese groß im Trend waren. Es gibt nix besseres, als ein vernünftiges Straßenbahnnetz, wie es in Dresden gewachsen ist. Eine wunderschöne Stadt.. Und Magdeburg ist mittlerweile auf dem besten Weg dorthin 🙂

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